Am Tag des Abzugs der Bundeswehr hatte medica mondiale zu einer Online-Veranstaltung über Lage und Zukunft der Frauen in Afghanistan geladen, bei der sich 196 Teilnehmende zugeschaltet hatten,
darunter auch der SI Club Lauterbach-Vogelsberg.
„Afghanistan ist ein Land, in dem es gefährlich ist, eine Frau zu sein.“ beschrieb Inga Weller, Projektleiterin für Afghanistan bei medica mondiale, die Lage vor Ort. 90% der Frauen und Mädchen dort
sind, hauptsächlich im familiären bzw. häuslichen Umfeld, von Gewalt bedroht. Große Angst bis hin zur Verzweiflung bewegt die Bevölkerung, denn eine fragile Stabilität im Land erfährt mit dem Abzug
der letzten westlichen Militäreinheiten eine weitere schwere Erschütterung. Das Land wird nun sich selbst überlassen, und das heißt vor allem: dem Machtanspruch der Taliban und/oder einem völligen
Zerfall in kleine Herrschaftsregionen von Clans und Warlords vor Ort. Auch ehemalige Mudschaheddin, die bereits jetzt teilweise in Regierungspositionen sitzen und eine Rückkehr des politischen Islam
sowie Korruption und Kriminalität verantworten, beanspruchen die Macht für sich.
Afghanistan ist ein Land, in dem innere und äußere Kräfte zu extremen gesellschaftlichen Verwerfungen führten und es zerrütteten. In einigen Regionen gilt noch das extrem patriarchale, paschtunische
Stammesrecht, während sich in den Großstädten, vor allem in den 70 iger Jahren, Ärztinnen und Lehrerinnen ausbilden und Frauen sich selbstständig machen konnten. Das stationierte internationale
Militär vernichtete anfängliches Vertrauen durch u.a. Drohnenangriffe, die immer öfter auch zivile Opfer forderten. „Es ist ein dramatisches Zeugnis des Versagens der Lösung eines Konfliktes mit
militärischen Mitteln.“, fasste Monika Hauser, Gründerin von medica mondiale, zusammen.
Die Taliban streben wieder an die Macht, und setzen diesen Anspruch grausam durch. Vor allem Frauen werden in aller Öffentlichkeit von Taliban ermordet, was strafrechtlich nicht verfolgt wird.
Frauenaktivistinnen ziehen sich deshalb womöglich aus der Öffentlichkeit zurück. Medica mondiale unterstützt intensiv eine digitale Vernetzung, um Leben zu schützen und gleichzeitig die durch ihre
Arbeit entstandenen nachhaltigen Netzwerke zu erhalten und weiter zu fördern. Rund 1.200 Rechtsberatungen am Telefon im Jahr zeigen den enormen Bedarf an Hilfe, den medica mondiale auf diese Weise
niederschwellig und auch für Frauen in abgeschiedenen Regionen ermöglicht. „Wir geben hier nicht auf!“, bestätigt Hauser die Arbeit der NGO, die durch den Mut und die Tatkraft der Kolleginnen vor Ort
täglich aufs Neue motiviert wird. In Deutschland fordert medica mondiale daher die Bundesregierung auf weiterhin die Verantwortung zu übernehmen, damit die Arbeit der Frauenorganisationen in
Afghanistan fortgesetzt werden kann. Dazu gehört auch, von Tod bedrohte afghanische Frauenrechtlerinnen einen sicheren Aufenthalt in Deutschland zu ermöglichen, um ihr Leben zu schützen, und darüber
hinaus sofort Abschiebungen nach Afghanistan einzustellen.
Aus den Erlösen des jährlich aufgelegten Adventskalenders von Soroptimist International Lauterbach-Vogelsberg fließen nun 3.100 Euro in die wichtige Arbeit von medica mondiale in Afghanistan.
Weitere Informationen und Spendenkonto unter www.medicamondiale.org
Foto 1: Monika Hauser Foto 2: Inga Weller Fotos: Mueller/mm