Hessische Frauenschicksale: In der Fremde bestehen
Ein Leben in Gefahr:
Eine besonders mutige Frau war Baronin Friederike Charlotte Louise Riedesel zu Eisenbach, die das Schicksal bis ins ferne Amerika verschlug. Friederike, oder auch Fritzchen, wie sie innerhalb der Familie genannt wurde, war die Ehefrau des Generals Friedrich Adolf Riedesel, der in der Armee des braunschweigisch-lüneburgischen Herzogs seinen Dienst versah.
Friederike wurde 1746 in Brandenburg an der Havel geboren. Ihr Vater, Valentin von Massow, war Generalleutnant der preußischen Armee. Seit ihren Kindertagen hatte Friederike ihren Vater bei seinen Armee-Einsätzen begleitet, die junge Frau kannte das harte Lagerleben der Soldaten zur Genüge. Als der verletzte Friedrich Riedesel 1762 im Hause ihres Vater einquartiert wurde, war es selbstverständlich für die damals 16jährige Friederike, dass sie bei seiner Pflege half. Zwischen ihr und dem 24jährigen Friedrich entwickelte sich rasch eine enge Zuneigung, und sie heirateten noch im selben Jahr.
Als sie mit ihrem dritten Kind schwanger war, wurde Friedrichs Regiment an den König von England vermietet. Auf dem englischen Thron saß damals George III aus dem Haus Hannover, der dringend militärische Unterstützung von seiner deutschen Verwandtschaft benötigte. Abtrünnige Siedler in den amerikanischen Kolonien drohten mit einer Rebellion, und erklärten am 4. Juli 1776 ihre Unabhängigkeit von Großbritannien. Mehr als 4.000 Fußsoldaten und 350 schweren Dragoner wurden vom Braunschweiger Herzog für den britischen Dienst bereitgestellt. Friedrich schiffte sich sofort mit seinen Soldaten nach Amerika ein.
Als ihre jüngste Tochter alt genug zum Reisen war, folgte ihm Friederike mit ihren drei Kindern. Im Juni 1777 traf sie bei ihrem Mann in Kanada ein. Die folgenden Monate begleitete Friederike mit ihren Kindern die Armee auf ihrem Weg nach Süden. Mit großem militärischem Sachverstand hielt sie ihre Erlebnisse in Tagebüchern und in Briefen fest. Die Baronin, die insgeheim mit den Anliegen der Rebellen sympathisierte, war entsetzt über die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen des britischen Kommandanten, der es den Rebellen ermöglichte, sämtliche taktischen Manöver der Truppen auszuspionieren. Sie erlebte die Gräuel des Krieges aus nächster Nähe, und immer wieder schwebten sie und ihre Kinder in Lebensgefahr.
Oft verbrachte sie die Nächte damit, sich um verwundete Soldaten, andere Frauen und ihre Kinder zu kümmern. Einer der Soldaten beschrieb sie später als ‚Engel des Trostes‘, der in diesem ganzen Chaos wieder Ordnung herstellte. Es dauerte bis 1783, ehe Friederike und ihre Familie wieder in die alte Heimat zurückkehren konnten. Das erste Weihnachtsfest nach ihrer Rückkehr feierten sie gemeinsam mit der Familie im hessischen Lauterbach.
Baronin Riedesel starb am 9. März 1808 in Berlin. Sie wurde in der Gruft der Familie ihres Mannes in Lauterbach beigesetzt. Ihre später veröffentlichten Aufzeichnungen gehören bis heute zu den wichtigsten Zeit-Dokumenten über den Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg.
Recherche und Text: Gabi Ruppenthal